Herr Grobrügge, wie ist Ihr Risikomanagement generell aufgestellt?
Dazu muss man zunächst wissen, dass wir ein besonderes Geschäftsmodell haben: Auf der einen Seite gibt es die Gesellschafter, also selbständig handelnde Unternehmer in einigen europäischen Ländern, mit Schwerpunkt auf Deutschland und Österreich, und auf der anderen Seite haben wir zweieinhalb bis dreitausend Lieferanten. Und wir wissen von der Bestellung unseres Gesellschafters bei einem Lieferanten erst dann, wenn die Rechnung hier bei uns eingeht – und das ist durchaus herausfordernd. Wir haben keine Zentralregulierung, sondern eine Zentralfakturierung. Das heißt, die Bestellung beim Lieferanten erfolgt auf unsere Rechnung und unseren Namen. Hier gehen am Tag 30-35.000 Rechnungen ein, die abgearbeitet werden, und wir sind verpflichtet zur Zahlung.
Wir haben daher also quasi eine Risikoaufgabe in beide Richtungen: Wir haben unterjährig in der Saisonspitze gegenüber unseren Gesellschaftern Forderungen in Höhe von ca. 800 Millionen Euro, stichtagsbezogen. Das heißt, die Gesellschafter beobachten wir mit einem besonderen Augenmerk und haben dafür auch eine eigene Abteilung bei uns im Haus, die ein eigenes Ratingsystem entwickelt hat, die sich die Zahlen und Bilanzen geben lässt, wir führen Gespräche und begleiten teilweise Bankgespräche, wir arbeiten also wie eine Bank und sind einer Bank an der Stelle glaube ich auch nicht unähnlich.
Unser Debitorenmanagement ist relativ erfolgreich, darf ich behaupten, was wir auch daran festmachen, dass wir bei Allianz Trade mehrere Policen haben, die wir bis zum heutigen Tag nicht in Anspruch nehmen mussten. Und die, die wir haben, sind vor allem für den „Worst Case“, also für Forderungsausfälle in Höhe mehrerer Millionen Euro. Das halte ich aber für ein recht theoretische Szenario.
Gegenüber den Lieferanten war unser Risikomanagement früher noch dezentral (bis wir Bonicheck von Allianz Trade eingeführt haben). Die Einkäufer hatten natürlich gegenüber den Lieferanten ein gewisses Risikomanagement zu betreiben, da ging es aber weniger um Fragen der Bonität als vielmehr Fragen der Warenversorgung, Sortimentstreue, Exklusivität und ähnlichem mehr. Bei Fragen zur Bonität haben die unterschiedlichen Einkäufer auf unterschiedliche Informationsquellen und Auskunfteien zurückgegriffen.
Die Volumina sind hier aber auch andere; denn wir haben ja zunächst mal keine Forderungen gegenüber den Lieferanten, sondern eine Verbindlichkeit. Aber wir haben dann auch wieder doch eine Forderung, weil unser Geschäftsmodell nämlich vorsieht, dass wir für die Umsätze, die bei uns abgerechnet werden, Boni kriegen von den Lieferanten, die wir wiederum an die Gesellschafter weitergeben. Letztes Jahr war das eine Größenordnung jenseits der halben Milliarde Euro. Und wenn ein Lieferant unterjährig „die Biege macht“, dann bekommen wir unter Umständen keinen Bonus von ihm. Wir haben zwar durchaus Mittel und Möglichkeiten, uns das zu erstreiten, aber das muss ich Ihnen auch nicht sagen: Je weiter über Landesgrenzen hinweg das ist, desto schwieriger wird das.
Ich wollte die Prozesse vereinheitlichen und systematisieren und speziell zum Thema Bonität EINE Lösung haben und nicht viele verschiedene, um eine Vergleichbarkeit zu haben, und deswegen haben wir damals die Bonitätsprüfung von Allianz Trade bei uns eingeführt.