Wenn der Geschäftspartner nicht zahlt, bekommen kleine Lieferanten oft große Probleme. Rudolf Müller hat das oft erlebt. Der Experte für Forderungsmanagement empfiehlt kleinen Unternehmen deshalb, die Bonität ihrer Kunden regelmäßig zu prüfen. Zeigen sich Anzeichen für Zahlungsprobleme, rät er zu einem offenen Gespräch.
Forderungsmanagement für kleine und mittlere Firmen – warum haben Sie sich ausgerechnet auf dieses Feld spezialisiert?
Mir gefällt der Blick aufs Ganze. Wenn ich ein kleines Unternehmen berate, erhalte ich Einblicke in alle Geschäftsbereiche. Das ist nicht nur interessant, sondern hilft mir auch, Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen des Unternehmens entsprechen.
Sind kleine Unternehmen öfter von Forderungsausfällen betroffen als große?
Nein. Aber sie finden sich eher damit ab, dass Rechnungen später als vereinbart bezahlt werden. Vor allem gegenüber langjährigen Kunden sind Geschäftsführer kleiner Unternehmen oft nachsichtig.
Ist das nicht richtig so?
Die Erfahrung zeigt, dass bei der Insolvenz eines Kunden die langjährigen Lieferanten den größten Schaden erleiden. Neue Geschäftspartner sind in der Regel vorsichtig und setzen frühzeitig ein Kreditlimit.
Wo sehen Sie Nachholbedarf in Sachen Forderungsmanagement?
Kleine Unternehmen prüfen zu selten systematisch die Bonität. Das ist nicht zu verstehen, denn viele Informationen sind offen zugänglich – etwa im Internet oder in Verbandszeitschriften. Vor dem Abschluss großer Aufträge sowie bei Neukunden sollten in jedem Fall Auskünfte eingeholt werden.
Haben kleine Unternehmen Hemmungen, das zu tun?
Es ist ihnen unangenehm, mit ihren Kunden darüber zu sprechen, also transparent mit dem Thema umzugehen. Dabei gehören Bonitätsprüfungen im Geschäftsleben zum Alltag. Zwischen Kunde und Lieferant werden sie aber ungern thematisiert.
Woran liegt das?
Ein kulturelles Problem. Mit Bonitätsprüfungen ist bei uns die Angst vor dem Scheitern verbunden. Wer scheitert, ist stigmatisiert. Ganz anders als in den USA oder Großbritannien, wo eine <insolvenz dem Ansehen eines Unternehmers weniger schadet.
Kann ein kleiner Lieferant mit Bordmitteln erkennen, ob ein Kunde seine Rechnungen nicht bezahlen wird?
Wirtschaftliche Probleme kündigen sich fast immer an. Wenn ein Kunde statt Premium- nur noch Billigware bestellt, kann das auf eine Liquiditätsschwäche hindeuten. Oder wenn jemand immer um den Preis gefeilscht hat und nun plötzlich lange Zahlungsziele wünscht. Ein Hinweis könnte auch vorliegen, wenn der Kunde Skontofristen nicht mehr ausnutzt und lieber einen höheren Betrag bezahlt.
Was sollte der Lieferant in diesem Falle tun?
Den Kunden mit Fingerspitzengefühl darauf ansprechen und nach Lösungen suchen. Vertrauen ist die beste Basis. Das gilt übrigens auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Lieferanten sollten nicht panisch werden, wenn solide Unternehmen nun in eine Schieflage geraten. Sie müssen sich vielmehr fragen, ob sie bereit sind, einem notleidenden Kunden über diese Hürde zu helfen. Dann müssen sie sich selbst gegebenenfalls absichern.
Zögern kleine Unternehmen Mahnungen zu lange hinaus?
Ja, das passiert. Grund dafür sind meist die Prozesse im Unternehmen. Beispiel: Unbezahlte Rechnungen kommen erst mal auf einen Stapel – alle zwei oder drei Wochen werden Mahnungen unabhängig vom Zahlungsziel verschickt. Das bedeutet einen wirtschaftlichen Schaden, denn Zahlungsfristen gehen ja in die Preiskalkulation mit ein.
Wann ist der Zeitpunkt für ein Inkasso gekommen, also den Forderungseinzug durch einen externen Dienstleister?
Wenn alle kaufmännischen Mittel ausgeschöpft sind, muss man den Vorgang an Experten abgeben. Juristen beider Seiten können das Problem dann nüchtern lösen. Ist der Inkassoprozess eingeleitet, sollte sich der Gläubiger auf keinen Fall vom Schuldner erweichen lassen, wieder selbst mitzumischen. Das behindert die Arbeit des Inkassodienstleisters und schwächt die eigene Glaubwürdigkeit.
Und wenn der Lieferant dabei einen guten Kunden verliert?
Ein Kunde, der seine Rechnung nicht bezahlt, ist selten ein guter Kunde. Er hat ein Recht auf eine pünktliche Lieferung, deshalb darf der Lieferant eine pünktliche Zahlung erwarten.
Kleine Unternehmen verfügen oft über wenig Liquidität. Wie können sie sich gegen Forderungsausfälle absichern?
Warenkreditversicherungen bieten eine Möglichkeit. Bürgschaften können ebenfalls hilfreich sein. Ein Unternehmen kann auch die Forderung an den Kunden an seinen eigenen Lieferanten als Sicherheit abtreten, wenn er den Auftrag sonst nicht solide finanzieren kann.
Forderungsmanagement bindet Personal. Wann lohnt es sich für kleine Unternehmen Aufgaben an einen Dienstleister abzugeben?
In bestimmten Fällen ist das Outsourcing ratsam oder sogar notwendig. Bei Exportgeschäften zum Beispiel ist die Komplexität des Forderungsmanagements für Laien kaum mehr zu überblicken. Forderungsrisiken, die so hoch sind, dass ein Ausfall die Existenz des Lieferanten gefährdet würde, sollten ebenfalls an einen Dienstleister verkauft werden, der das Risiko schultern kann. Das kostet etwas Geld, gibt aber Sicherheit.
Was gilt es zu beachten, wenn Rechnungen geschrieben werden?
Ein häufiger Fehler sind falsche oder unzureichende Kundendaten. Das kann gravierende Folgen haben. Wenn Namen oder die Firma auf der Rechnung nicht stimmen, dann muss der Kunde sie nicht bezahlen. Strukturiertes Forderungsmanagement fängt also schon bei den Rechnungsdaten an.
Die Leistung hat Mängel, deshalb wird die Rechnung nicht bezahlt – so lautet eine häufige Begründung. Wie sollen kleine Unternehmen darauf reagieren?
Solche Probleme können entstehen, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht klar formuliert oder nicht wirksam vereinbart sind. Schon in seinem Angebot sollte ein Lieferant darauf hinweisen, dass bei einem Zuschlag seine AGB gelten. Von Neukunden sollte sich das der Lieferant vor Aufnahme einer Geschäftsbeziehung explizit bestätigen lassen. Dann gibt es eine Grundlage, auf der mit Reklamationen umgegangen werden kann.
Haben kleine Firmen auch Vorteile beim Forderungsmanagement gegenüber den großen Unternehmen?
Ja, denn sie haben ein engeres Verhältnis zu ihren Kunden und arbeiten unbürokratischer als große Unternehmen. Fragen zu Zahlungsfristen oder ähnlichem kann ein Sachbearbeiter direkt mit dem Geschäftsführer klären und hat sofort eine Entscheidung. So haben kleine Unternehmen viel öfter die Chance zu zeigen, dass sie nicht nur Lieferanten, sondern Partner ihrer Kunden sein wollen.
Herr Müller, Vielen Dank für das Gespräch!