- Reduzierung des CO2-Fußabdrucks in der Luftfahrt erfordert Zusammenspiel von Technologie, Treibstoffen, Betrieb und Politik – und hohen Investitionen
- Transformationskosten belaufen sich auf rund 5,1 Billionen US-Dollar (~4,4 Billionen Euro) – ein „Weiter so“ wäre noch teurer
- Skalierung von nachhaltiger Kraftstoffproduktion größter Hebel – aber nicht ausreichend
- • Emissionshandel nur Übergangsinstrument – Airlines sollten Abflug nicht verpassen
- • Passagieraufkommen steigt weiter – und damit Nachfrage und Netto-Null-Herausforderungen
Hamburg, 8. Dezember 2025 – Die Luftfahrt steht vor einer Herkulesaufgabe: Sie gehört zu den Branchen, in denen es am schwierigsten ist, die globalen Klimaneutralitätsziele bis 2050 zu erreichen. Entsprechend hoch sind die damit bis 2050 erforderlichen Investitionen. Ein „Weiter so“ wäre allerdings mit noch höheren Kosten verbunden. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Luftfahrt-Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade.
„Die Dekarbonisierung der Luftfahrt wird kein günstiges Unterfangen. Im Gegenteil: Bis 2050 erfordert dies nach unseren Berechnungen Investitionen von etwa 5,1 Billionen US-Dollar (~ 4,4 Billionen Euro) “, sagt Maria Latorre, Branchenexpertin bei Allianz Trade. „Das ist schweres Gepäck. Aber ein Verharren auf dem aktuellen Status Quo käme für die Gesellschaften mit geschätzten acht Billionen US-Dollar noch teurer.“
Im Jahr 2023 verursachte der Luftverkehr etwa eine Gigatonne Kohlenstoffdioxid (CO2) – das entspricht etwa 2,5 % aller vom Menschen verursachten direkten und indirekten CO2-Emissionen, einschließlich Landnutzungsänderungen wie zum Beispiel durch Entwaldung. Berücksichtigt man auch Nicht-CO2-Auswirkungen wie Kondensstreifen und Stickoxide, steigt der Anteil des Sektors an der globalen Erwärmung auf etwa 6 %, was das Ausmaß der Herausforderung unterstreicht.
Kein Solo-Flug: Großer Fußabdruck erfordert Zusammenspiel von vielen Bereichen
„Diese Herkulesaufgabe ist kein Solo-Flug. Um sie zu bewältigen, müssen viele Zahnräder ineinander greifen“, sagt Latorre. „Die Reduzierung des aktuell großen CO2-Fußabdrucks in der Luftfahrt erfordert ein umfassendes Maßnahmenpaket, das sowohl Technologie, Treibstoffe, Betrieb als auch Politik umfasst.“
Eine wichtige Säule ist der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe. Damit können CO2-Emissionen um 60 - 90 % gesenkt werden.
„Die gute Nachricht ist: Sie sind mit bestehenden Flotten kompatibel“, sagt Hazem Krichene, Senior Klimaökonom bei Allianz Research. „Die schlechte: Aktuell decken sie nur einen minimalen Anteil des weltweiten Bedarfs. Und auch mit einer Skalierung lösen die nachhaltigen Kraftstoffe das Problem nicht allein.“
Die Skalierung von nachhaltigen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAFs) erfordert erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien, diversifizierte Rohstoffe und groß angelegte Produktionsanlagen, unterstützt durch klare und stabile politische Vorgaben.
Emissionshandel nur Übergangsinstrument – Airlines sollten Abflug nicht verpassen
Auch Emissionszertifikate können als marktbasierte Mechanismen dazu beitragen, die Lücke bei den Emissionen zu schließen. Aktuell sind die Kosten, um einen steigenden Anteil an internationalen Emissionen auszugleichen, (noch) vergleichsweise gering. In den kommenden Jahren könnten diese allerdings deutlich steigen, was zu einer stärkeren Belastung der Fluggesellschaften führen dürfte.
„Aktuell sind Emissionszertifikate nach wie vor kostengünstiger als die Einführung von nachhaltigen Treibstoffen“, sagt Latorre. „Da beißt sich also die Katze noch in den Schwanz. Ein Anstieg der kumulierten Kosten mit Auswirkungen auf die Betriebsmargen der Fluggesellschaften oder die Ticketpreise dürfte hier aber einen stärkeren Handlungsdruck erzeugen.“
Insgesamt dienen solche marktbasierten Mechanismen als Übergangsinstrumente. Sie ermöglichen es den Fluggesellschaften, unvermeidbare Emissionen auszugleichen und gleichzeitig Anreize für langfristige Investitionen in nachhaltige Kraftstoffe und emissionsarme Technologien zu schaffen, die sowohl die Einhaltung der Vorgaben als auch das nachhaltige Wachstum des Sektors unterstützt.
„Die Gesellschaften sollten aber langsam Gas geben und pünktlich abheben, um nicht am Ende das Nachsehen zu haben“, sagt Krichene.
Hohe Investitionen notwendig – vor allem in Erneuerbare und Kraftstoffproduktion
Insgesamt fallen für die Luftfahrtbranche bis 2050 Investitionen von etwa 5,1 Billionen US-Dollar (~ 4,4 Billionen Euro) an, größtenteils auf erneuerbare Energie (40 %) zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe und zur Versorgung künftiger Wasserstoff- oder Elektroflugzeuge. Weitere 38 % müssen zur Steigerung der SAF-Produktion verwendet werden, während 16 % auf CO2-Abscheidung und Elektrolyseure und die restlichen 6 % auf Flugzeuge der nächsten Generation entfallen.
Die Dekarbonisierung der Luftfahrt hängt zudem von der Beschleunigung der Modernisierung von Flugzeugen und Innovationen der nächsten Generation ab. Diese hinkt durch enorme Lieferrückstände hinterher. Das durchschnittliche Alter der Flugzeuge hat dadurch einen Rekordwert von 15 Jahren erreicht und Wartezeiten belaufen sich inzwischen auf fast sechs Jahre.
Die Nachrüstung älterer Jets bietet kurzfristige Effizienzgewinne. Mit der aktuellen Technologie könnten der Treibstoffverbrauch und die Emissionen bis 2050 um etwa 20 % gesenkt werden. Für eine sinnvolle Dekarbonisierung und dem Erreichen der Netto-Null-Ziele sind allerdings neue Flugzeuge erforderlich.
Freud und Leid zugleich: Passagieraufkommen steigt weiter
Die weiterhin steigende Nachfrage spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Zuge der Dekarbonisierung.
„Die steigende Nachfrage ist für die Branche Freud und Leid zugleich“, sagt Latorre. „Einerseits ist eine steigende Nachfrage gut für den Sektor, andererseits stellt dies eine noch größere Herausforderung für die Netto-Null-Ziele dar. Gerade auf kürzeren Inlandsstrecken wäre die Modernisierung und der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsbahnnetzen eine echte Alternative und sinnvolle Ergänzung.“
Die weltweite Nachfrage nach Flügen wird voraussichtlich deutlich steigen und das Passagieraufkommen bis 2050 voraussichtlich 12,4 Milliarden erreichen. In Europa wird das Wachstum zwar moderater ausfallen – von 1,19 Milliarden Passagieren im Jahr 2023 auf 1,81 Milliarden im Jahr 2050. Aber selbst dieser Anstieg um 52 % stellt eine Herausforderung für die Netto-Null-Ziele dar.
Gerade auf Kurzstrecken bieten sich erhebliche Einsparpotenziale: Der geplante Ausbau des europäischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes sowie der sehr schnellen Eisenbahnstrecken auf fast 50.000 Kilometer bis 2050 – ein Investitionsbedarf von über 890 Mrd. Euro – könnte Inlands- und Europaflüge teilweise ersetzen und damit Emissionen deutlich reduzieren.Die vollständige Studie finden Sie hier: