- Die Schweiz ist eine Insel der Geldstabilität. Die Inflationsrate ist mit 2.2 % vergleichsweise gering.
- Die gefühlte Inflation ist dreimal höher als die tatsächliche Teuerungsrate. Woher kommt das und welche Auswirkungen hat dieser Umstand?
- Bei neu zugelassenen Elektrofahrzeugen liegt der Anteil chinesischer Hersteller bei 80 %.
Wallisellen, 22. Juni 2023 – Die gefühlte und die tatsächliche Inflation klafft weit auseinander. Das hat markante Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Zudem ist China im Bereich der Elektrofahrzeuge auf der Überholspur. Sie verdrängen europäische Marken immer mehr.
Die Schweizer leben weiterhin auf einer Insel der Geldstabilität. Sie verzeichneten im Mai 2023 eine Inflationsrate von lediglich 2.2 %. Im Gegensatz dazu sind die Inflationsraten in Deutschland und Österreich mit 6.1 % und 8.8 % fast drei beziehungsweise vier Mal so hoch. Eine Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade hat die grosse Divergenz in der Preissteigerung der alpinen Anrainerstaaten untersucht. Zudem erklärt sie, warum die gefühlte und tatsächliche Inflation derzeit so weit auseinander liegen. Zuletzt war das bei der Euro-Einführung vor mehr als 20 Jahren der Fall.
«Die gefühlte Inflation in der Eurozone ist fast dreimal so hoch», sagt Jasmin Gröschl, Senior Ökonomin bei Allianz Trade, «sie lag zuletzt bei fast 17 % und damit rund satte 9 Prozentpunkte (pp) höher als die tatsächliche Teuerungsrate in diesem Quartal. In Deutschland lag die Abweichung der gefühlten Inflation von mehr als 18 % sogar bei 11pp. Das ist nicht unerheblich, denn die gefühlte Inflation beeinflusst das Handeln der Verbraucher stark, zum Beispiel beim Kaufverhalten. Diese Diskrepanz spielt also gerade für die Wirtschaft und die Unternehmen sowie für die Zinspolitik eine wichtige Rolle.»
Ursachen der Diskrepanz
Die Diskrepanz hat verschiedene Gründe. Verbraucher achten beispielsweise stärker auf Preisänderungen bei häufig anfallenden Einkäufen wie Lebensmittel und Getränke, Benzin oder sonstige Besorgungen für den täglichen Gebrauch. Wenn dort diese Preise überdurchschnittlich steigen, neigen die Menschen dazu, eine wesentlich höhere Teuerung zu empfinden. Aber auch psychologische Aspekte, demografische und regionale Unterschiede, und individuelles Konsumverhalten können dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Preisanstieg anders beurteilen als die offizielle Inflationsmessung. So entstehen ein verzerrtes Bild und eine starke Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen und tatsächlichen Inflation.
Gründe für die tiefe Schweizer Inflationsrate
«Schlüsselfaktoren bei der Inflation sind die geografische Nähe zu Russland, die Abhängigkeit von Energie- und Lebensmittelimporten, staatliche Eingriffe zur Senkung einzelner Preise und die Stärke der jeweiligen Währung», erklärt Gröschl. Die Schweiz profitiert von ihrer Lage, vom seit langem starkem Schweizer Franken, der die Inflation über die Importpreise und die unterschiedliche Konsumstruktur aufgrund des höheren Einkommensniveaus in der Schweiz dämpft. Zudem versorgt sich die Schweiz weitgehend selbst mit Strom aus Wasserkraft und Kernenergie und importiert nur wenige Lebensmittel. Die Schwankungen der Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt werden durch variable Zölle reguliert, die die inländischen Erzeuger und Verbraucher gleichermassen schützen. Infolgedessen sind viele Waren in der Schweiz zwar teurer, aber die Preise sind weniger volatil.
Chinesische Autos auf der Überholspur
Sowohl im Heimmarkt wie auch zunehmend auf den europäischen Märkten sind chinesische Autos auf dem Vormarsch und dürften ihren Marktanteil in den kommenden Jahren deutlich ausbauen. Eine weitere Studie von Allianz Trade hat Szenarien untersucht und mögliche entstehende Verluste bei der Wertschöpfung für Autobauer untersucht. In der aktuellen Analyse geht der weltweit führende Kreditversicherer der Frage nach, ob sich die Branche mit der zunehmenden chinesischen Konkurrenz weiter konsolidieren könnte.
«Wir halten eine neue Konsolidierungswelle durch Fusionen und Übernahmen auf dem europäischen Markt für unwahrscheinlich – allein schon aus kartellrechtlichen Gründen, denn die Marktanteile der grossen europäischen Automobilhersteller sind bereits sehr hoch», sagt Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade. «Das bedeutet aber nicht, dass sich die Hersteller entspannt zurücklehnen können: Um langfristig mithalten zu können, müssen sie ohne Fusionen deutliche Effizienzgewinne erzielen.»
Chinesische Hersteller punkten vor allem über den Preis
Die in China gefertigten Autos punkten neben IT-Anbindung und Design vor allem über den Preis. Diesen erreichen die Hersteller insbesondere durch Masse und dadurch entstehende Skaleneffekte. Die Übernahme von kleineren Marktteilnehmern würden die europäischen Autobauer also nicht massgeblich nach vorne bringen und grössere Fusionen sind eher unwahrscheinlich. Es geht nur über Effizienzgewinne, indem einerseits kleinere Anbieter aus dem europäischen Markt verdrängt werden, andererseits neue horizontale und vertikale Industriepartnerschaften zur Bündelung von Ressourcen in kapitalintensiven Bereichen, insbesondere bei der Herstellung von Elektrobatterien, entwickelt werden und drittens eine weitere Konsolidierung der Produktion auf eine geringere Anzahl von Plattformen und Fabriken für eine höhere Standardisierung erreicht wird.
Industriepartnerschaften werden immer wichtiger
Fürs Überleben spielen neue Industriepartnerschaften eine tragende Rolle, denn gerade die Elektrobatterien sind der grösste Preis-Treiber. «Die Europäer sollten sich auch ohne Fusionen oder Übernahmen zusammentun, um vor allem in kapitalintensiven Bereichen Effizienzsteigerungen zu erreichen», sagt Duthoit. «Sie sind weiterhin in einer sehr guten Position. Aber sie sollten jetzt einen Gang hochschalten, um den verlorenen Boden durch den chinesischen Blitzstart in die Elektromobilität gutzumachen.».»
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