Mit den Experten von White & Case llp
Dr. Sven-Holger Undritz und Béla Knof von der Rechtsanwaltskanzlei White & Case llp erklären, was es mit der Insolvenzanfechtung auf sich hat, was Unternehmen alles beachten müssen und wie sie sich vor einer Insolvenzanfechtung schützen können.

Inhalt

  • Was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss infolge der Insolvenzanfechtung zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.
  • Das Risiko der Insolvenzanfechtung liegt also darin, dass im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Geschäftspartners Zahlungen oder andere Leistungen, die von dem Geschäftspartner mitunter lange Zeit vor der Stellung des Insolvenzantrags erlangt wurden, in dessen Insolvenz von dem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können.

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Was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss infolge der Insolvenzanfechtung zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

Das Risiko der Insolvenzanfechtung liegt also darin, dass im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Geschäftspartners Zahlungen oder andere Leistungen, die von dem Geschäftspartner mitunter lange Zeit vor der Stellung des Insolvenzantrags erlangt wurden, in dessen Insolvenz von dem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können.

Die Rückzahlung erfolgt dann in die Insolvenzmasse. Im Gegenzug bekommt der Anfechtungsgegner lediglich eine Insolvenzforderung, die jedoch – wie jeder andere Insolvenzforderung von anderen Gläubigern auch – nur in Höhe der Insolvenzquote bedient wird. Die eigene Leistung, die für die erlangte Gegenleistung erbracht worden war, wird nicht zurückgewährt oder „angerechnet“, selbst wenn sie in der Insolvenzmasse noch vorhanden sein sollte und den Gläubigern mithin zur Verfügung steht.

„Im Insolvenzfall kann gelten: Wie gewonnen, so zerronnen. Was die Insolvenzanfechtung zusätzlich besonders schmerzhaft macht, ist der Umstand, dass neutrale Sachverhalte, also auch ein Leistungsaustausch im üblichen Geschäftsverkehr, im Insolvenzfall der Anfechtung unterliegen kann. Das Insolvenzanfechtungsrisiko bleibt deshalb häufig im Zeitpunkt des Leistungsaustausches unerkannt, sodass auch keine Risikovorsorge betrieben wird“
Béla Knof

Bei der Insolvenzanfechtung handelt es sich um eine Kernmaterie des Insolvenzrechts. Zu keinem anderen Bereich sind in den letzten gut 10 Jahren seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung so viele Entscheidungen ergangen wie zu den §§ 129 ff. InsO, in denen die Insolvenzanfechtung geregelt ist. Diese Flut an untergerichtlichen, aber auch höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs belegt die enorme praktische Relevanz der Insolvenzanfechtung in den Insolvenzverfahren.

Mit Hilfe der Insolvenzanfechtung ist es dem Insolvenzverwalter möglich, im Vorfeld der Insolvenzeröffnung zugunsten einzelner Gläubiger vorgenommene Vermögensverschiebungen im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger rückgängig zu machen. Die Insolvenzmasse wird damit durch die Insolvenzanfechtung angereichert. Bei massearmen Insolvenzverfahren sind die Insolvenzanfechtung und die Haftungsansprüche gegen die Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft häufig sogar die einzigen Quellen, aus denen sich die Insolvenzmasse speisen kann.

Insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichen finanziellen und rechtlichen Hilfsmaßnahmen des Staates während der COVID-19-Pandemie ist mit einer Zunahme der masselosen Insolvenzen – das Schlagwort „Zombieunternehmen“ ist in aller Munde – zu rechnen und dürfte konsequenterweise auch die Bedeutung der Insolvenzanfechtungs- und Haftungsansprüche zunehmen. Der Gesetzgeber hat zwar mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz („COVInsAG“) auch zahlreiche Privilegien geschaffen, mit deren Hilfe sich die Anfechtungsgegner gegen ein Rückforderungsverlangen des Insolvenzverwalters verteidigen können. Die Privilegien werden aber nur unter bestimmen Voraussetzungen gewährt, deren Erfüllung in jedem Einzelfall zunächst festgestellt werden muss.

„Das durch eine fast uferlose Rechtsprechung ausgeformte Recht der Insolvenzanfechtung hat sich zu einer absoluten Spezialmaterie des Insolvenzrechts entwickelt, und nur noch Experten ist es möglich, sich zielgerichtet einen Weg durch dieses Dickicht zu bahnen.“
Dr. Sven-Holger Undritz

Im Ausgangspunkt kann jede Rechtshandlung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt, einen Anknüpfungspunkt für die Insolvenzanfechtung bieten. Damit der Zweck der Gläubigergleichbehandlung weitestgehend verwirklicht wird, ist von einem umfassenden Verständnis der Gläubigerbenachteiligung auszugehen.

Der Bundesgerichtshof formuliert in ständiger Rechtsprechung, dass eine Rechtshandlung zu einer Gläubigerbenachteiligung führt, wenn sie entweder die Schuldenmasse des Schuldners vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff der Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert. Kurzum: Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten.

Auch in zeitlicher Hinsicht lässt sich die „typische Anfechtungssituation“ nicht pauschal eingrenzen. Richtig ist, dass alle Zahlungen oder sonstige Rechtshandlungen im Zeitraum von drei Monaten vor der Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einem besonders hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt sind. Die unterschiedlichen Tatbestände der Insolvenzanfechtung kennen jedoch auch unterschiedliche kritische Zeiträume und reichen auch bis zu vier Jahre und in bestimmten Konstellationen sogar bis zu zehn Jahre vor Antragstellung zurück.

Die meisten Anfechtungstatbestände setzen voraus, dass sich der später insolvente Geschäftspartner im Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Handlung bereits in der Krise befunden hat, d.h. objektiv zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig gewesen ist. In manchen Anfechtungstatbeständen muss zudem noch die subjektive Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit hinzukommen. Aber auch das ist nicht immer Voraussetzung für eine Anfechtung, so z.B. nicht im Fall der sog. „Schenkungsanfechtung“ oder bei der Anfechtung von Gesellschafterdarlehen.

„Die „typische Anfechtungssituation“ gibt es nicht. Man kann allenfalls als Leitlinie festhalten: Je mehr sich eine Krise des Geschäftspartners vertieft und je mehr Kenntnis man von der Krise gewonnen hat, desto größer ist das Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung. Wer keine Kenntnis von der Krise seines Geschäftspartners hat, sollte sich aber gleichwohl nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen, da es in einigen Anfechtungstatbeständen nicht auf die „Gut- oder Bösgläubigkeit“ des Anfechtungsgegners ankommt.“
Béla Knof

 

Bei der Insolvenzanfechtung sind alle Rechtshandlungen und ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung im Ausgangspunkt einzeln zu betrachten. Im Fall eines Leistungsaustausches finden mithin keine saldierte Betrachtung von Leistung und Gegenleistung statt. Auch im Rahmen der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter kann der Wert einer Gegenleistung, die für die angefochtene Leistung erbracht wurde, nicht einfach von dem geltend gemachten Anspruch abgezogen werden.

Allerdings hat auch der Gesetzgeber erkannt, dass ein Austausch gleichwertiger Leistungen in bestimmten Konstellationen von der Insolvenzanfechtung ausgenommen sein muss. Denn anderenfalls würde ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen und etwaige Sanierungschancen würden zunichtegemacht werden. Deshalb findet sich in § 142 InsO das sog. Bargeschäftsprivileg, nachdem ein unmittelbarer Austausch von gleichwertigen Leistungen (sog. Bargeschäfte) der Anfechtung entzogen sein sollen. Eine Anfechtung kommt dann nur noch in Betracht, wenn der Leistungsaustausch die gezielte vorsätzliche Benachteiligung von Gläubigern bezweckt und sich deshalb als unlauter darstellt.

Die Tücken liegen aber auch hier im Detail (Beispiele):

Das Gesetz legt z.B. selbst fest, dass der Austausch von Leistung und Gegenleistung nur dann unmittelbar ist, wenn er „nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt“. Im Regelfall ist ein Leistungsaustausch nicht mehr unmittelbar, wenn Leistung und Gegenleistung mehr als 30 Tage auseinanderfallen. Dies gilt auch, wenn die Verzögerungen der Leistung durch den späteren Insolvenzschuldner zu verantworten ist, weil er etwa eine Rechnung zu spät bezahlt.

Mit einem Blick auf die Details des Erfordernisses der Gleichwertigkeit kann es auch Überraschungen geben: Wird in den AGB eines Lieferanten etwa ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart, ist diese Form der Absicherung des Kaufpreises regelmäßig „insolvenzfest“. Dies kann aber schon dann anders zu beurteilen sein, wenn der Eigentumserwerb des belieferten Kunden nach den Regelungen der AGB nicht nur die Zahlung des Kaufpreises voraussetzt, sondern der Vorbehalt solange greift, bis sämtlicher andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit dem Lieferanten ausgeglichen sind.

Die Voraussetzungen, unter denen sog. Deckungen anfechtbar sind, sind in den §§ 130, 131 InsO geregelt. Der „kritische Zeitraum“ sind hier die letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es muss zunächst zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungen unterschieden werden. Es ist daher zunächst zu fragen, ob der Anfechtungsgegner die Deckung „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“. Es geht um Abweichungen des tatsächlichen Vorgehens vom rechtlich vereinbarten Vorgehen. So sind Zahlungen auf eine Forderung vor ihrer Fälligkeit oder Leistung in Raten inkongruent. Ebenso inkongruent sind sog. „Druckzahlungen“ auf fällige Forderungen zur Abwendung einer angedrohten Zwangsvollstreckung oder eines angedrohten Insolvenzverfahrens.

Die Unterscheidung ist deshalb in der Praxis wichtig, weil die inkongruenten Deckungen eher anfechtbar sind als die kongruenten Deckungen. So sind sie insbesondere im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne jede weitere Voraussetzung anfechtbar und auch innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag sind sie bereits anfechtbar, wenn der spätere Insolvenzschuldner objektiv zahlungsunfähig war, was in sehr vielen Fällen von dem Insolvenzverwalter unproblematisch wird dargelegt werden können.

Im Fall der kongruenten Deckung muss der spätere Schuldner zahlungsunfähig gewesen sein und darüber hinaus muss der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit auch gekannt haben. Da der Insolvenzverwalter den Gläubigern nicht „in die Köpfe schauen“ kann, hilft ihm eine gesetzliche Vermutung: Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Solche Umstände müssen in einer wertenden Gesamtschau festgestellt werden, wobei sich aus der Rechtsprechung Fallgruppen ableiten lassen. Hierzu zählen etwa:

  • erfolglose Vollstreckungsversuche, z.B. erfolglose Pfändungen von beträchtlicher Höhe in das Konto des Schuldners bei seiner Hausbank;
  • das monatelange völlige Schweigen des Schuldners trotz eines intensiven Zahlungsverlangens des Gläubigers
  • geschäftlich tätiger Schuldner lässt monatelang einen Rückstand von erheblicher Höhe mit betriebsnotwendigen fortlaufenden Verbindlichkeiten auflaufen (insbs. Steuern und Sozialabgaben, Löhne oder Mieten);
  • die Nichteinhaltung von Ratenzahlungsvereinbarungen (nicht hingegen zwingend die Ratenzahlungsvereinbarung selbst);
  • die bloße Nichtzahlung einer fälligen und wesentlichen Forderung für sich genommen kann unter bestimmten Umständen ebenfalls ausreichen;
  • die Äußerung des Schuldners, die fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen zu können.

Deckungen können aber nicht nur nach §§ 130, 131 InsO angefochten werden, sondern auch unter weiteren Gesichtspunkten, z.B. der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung oder sogar auch der „Schenkung“.

Die sog. Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO ist ein „scharfes Schwert“ in den Händen des Insolvenzverwalters, nicht zuletzt, weil er wegen seiner bis zu zehnjährigen Anfechtungsfrist der zeitlich am weitesten zurückreichende Anfechtungstatbestand ist. Der Gesetzgeber hatte im Jahre 2017 im Zuge einer Reform des Insolvenzanfechtungsrechts vor allem auch die Vorsatzanfechtung entschärfen wollen. In der Praxis hat der § 133 InsO jedoch kaum etwas an Schärfe verloren. So hatte der Gesetzgeber die Anfechtungsfrist für Befriedigungen und Sicherungen („Deckungen“) von zehn auf vier Jahre vor Antragstellung verkürzt, was den praktisch relevanten Zeitraum für Deckungsanfechtungen nach § 133 InsO jedoch unverändert hinreichend abdeckt.

Auch die im Gesetz angelegte hohe Hürde in Form der Voraussetzung einer subjektiven Kenntnis des begünstigten Gläubigers von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners wird durch die ineinandergreifenden Vermutungsregeln des Gesetzes und der Fallgruppenbildung durch die Rechtsprechung herabgesetzt. So wird die Kenntnis nämlich vermutet, wenn der Gläubiger Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. – im Fall der kongruenten Deckung – von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hatte. Bei dem Nachweis dieser Kenntnis des Anfechtungsgegners helfen dem Insolvenzverwalter dieselben Beweisanzeichen und Indizien wie auch im Zusammenhang mit der Deckungsanfechtung nach § 131 InsO (siehe dazu Frage 5).

In einer „Neuausrichtung“ der Vorsatzanfechtung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Mai 2021 die erheblichen praktischen Erleichterungen der Beweisführung für den Insolvenzverwalter an einigen Stellen zurückgedreht. So verlangt er z.B. für den Nachweis desjenigen nach außen hervortretenden Verhaltens des Schuldners, in dem sich typischerweise seine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt, nunmehr eine „besonders aussagekräftige Grundlage“. Besondere Bedeutung misst er dabei auch der eigenen Erklärung des Schuldners zu, nicht mehr alle fälligen Verbindlichkeiten befriedigen zu können. Die Hürde für die Vorsatzanfechtung ist damit höher gesetzt. Die Gläubiger sollten gleichwohl Vorsicht walten lassen und sich nicht allzu früh in Sicherheit wiegen.

Auch die sog. Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO hat sich in den letzten Jahren zu einem effektiven Instrument des Insolvenzverwalters zur Massemehrung entwickelt. Die liegt u.a. daran, dass die sog. Schenkungsanfechtung vier Jahre ab Antragstellung zurückreicht und außer der Unentgeltlichkeit der Leistung nichts weiter voraussetzt.

Die unentgeltliche Leistung als Anknüpfungspunkt für die sog. „Schenkungsanfechtung“ hat nicht ausschließlich das Bild der „Schenkung“ nach laienhafter Vorstellung vor Augen. Der Blick des „Schenkungsanfechtung“ geht vielmehr weit darüber hinaus. Tilgt etwa ein Dritter eine fremde Schuld, kann im Fall der Insolvenz des Dritten die Zahlung angefochten werden, wenn die befriedigte Schuld gegenüber dem eigentlichen Schuldner wegen fehlender Leistungsfähigkeit gegen diesen nicht mehr hätte durchgesetzt werden können.

Solche Konstellationen begegnen einem z.B. nicht selten in Konzernsachverhalten, in denen für eine nicht mehr liquide Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft oder eine Schwestergesellschaft die fälligen Verbindlichkeiten tilgt. In der Insolvenz aller beteiligten Konzerngesellschaften kommt es dann zur Insolvenzanfechtung gegen den durch Drittzahlung auf eine wertlose Forderung befriedigten Gläubiger.

„Klingt die Anknüpfung der Anfechtung an die Unentgeltlichkeit der erlangten Leistung noch so, als ob die sog. „Schenkungsanfechtung“ im Geschäftsverkehr keine Rolle spielen dürfte, ist man doch überrascht, in welchen Konstellationen die Rechtsprechung eine Unentgeltlichkeit der Leistung erkannt hat.“
Béla Knof

Die Befriedigung von Darlehen eines Gesellschafters sind nach § 135 InsO in die Insolvenzmasse zurückzuzahlen, wenn sie innerhalb eines Jahres vor Antragstellung erfolgt sind. Wurden für Gesellschafterdarlehen Sicherheiten bestellt sind diese sogar zehn Jahre zurückgehend anfechtbar. Dasselbe gilt für Forderungen eines Gesellschafters, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, damit sich die Gesellschafter ihrer Finanzierungsverantwortung nicht durch Umgehungskonstruktionen entziehen können.

Mit erster Priorität sichert der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Daten der Buchhaltung und sonstige relevante Daten auf dem Server des Schuldners betreffend den Zahlungsverkehr, z.B. auch die elektronisch gespeicherte Korrespondenz mit Gläubigern (einschließlich E-Mails der relevanten Mitarbeiter). Je nach Umfang der gesicherten Datenmenge kann sodann eine systematische Auswertung erfolgen, ggf. unter Hinzuziehung spezialisierter Dienstleister. Der Einsatz von sog. Legal Tech-Softwarelösungen steht noch am Anfang, wird sich aber in geeigneten Fällen mehr und mehr zeigen.

„Die Auswertung und Ermittlung von Insolvenzanfechtungsansprüchen ist für den Insolvenzverwalter in vielerlei Hinsicht eine „Standardübung“, weil sich bestimmte anfechtungsrelevante Sachverhalte in den Insolvenzverfahren wiederholen (z.B. Vollstreckungsmaßnahmen, Zahlung auf überfällige Forderungen, „geplatzte“ Ratenzahlungsvereinbarungen etc.). Daneben ergeben sich erfahrungsgemäß jedoch immer wieder auch Anknüpfungspunkte für Anfechtungen jenseits der „Standardsachverhalte“. Hier sind bisweilen fast detektivische Fähigkeiten gefragt, wenn sich der Insolvenzverwalter auf die Suche nach der sprichwörtlichen „Nadel im Haztradeaufen“ begibt.“
Dr. Sven-Holger Undritz

 

Zusammenfassend muss man festhalten, dass das Risiko der Insolvenzanfechtung vielschichtig ist und einem mitunter auch in ganz „normalen“ Sachverhalten des Geschäftsverkehrs recht unvermittelt begegnet. Das Risiko der Insolvenzanfechtung lässt sich daher kaum vollständig ausschließen.

Es können aber ein paar Leitplanken Orientierung geben, innerhalb derer sich das Risiko der Insolvenzanfechtung zumindest reduzieren lässt (Beispiele):

So sollte stets – wenn möglich – auf einen bargeschäftlichen und kongruenten Leistungsaustausch geachtet werden. Zeichnet sich eine Krise des Geschäftspartners ab, kann das einvernehmliche Umstellen auf Vorkasse oder Zug-um-Zug-Leistung den Bargeschäftscharakter absichern.

Ferner kann auch an das Verlangen der Vorlage bestimmter Informationen zur finanziellen Situation des Geschäftspartners gedacht werden, wenn auf diese Weise das Nicht-Vorliegen einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit dokumentiert werden kann. Die Dokumentation sollte jedenfalls bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern vorhanden sein, weil deren Geschäftsleiter seit dem 1.1.2021 nach § 1 StaRUG zur systematischen Krisenfrüherkennung und mithin zur Liquiditätsbeobachtung verpflichtet sind.

In bestimmten Konstellationen kann sich auch empfehlen, mit dem Schuldner gemeinsam an einer nachhaltigen Lösung etwaiger Zahlungsengpässe zu arbeiten, indem etwa (realistische!) neue Zahlungsziele oder Ratenzahlung vereinbart werden.

Ganz praktisch sollte die Korrespondenz mit Schuldnern in der Krise stets mit Bedacht geführt werden. Denn hier gilt: „Wer schreibt, der bleibt“.

Ob und inwieweit die Privilegierung nach § 2 COVInsAG oder den §§ 89, 90 StaRUG durch den Anfechtungsgegner zur Verteidigung gegen eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter ins Feld geführt werden können, ist ebenfalls im Einzelfall genau zu prüfen.

„Nach einem effektiven Schutz gegen die Risiken der Insolvenzanfechtung gefragt kann man an sich nur überspitzt und im Scherz antworten, dass sich ein effektiver Schutz gegen eine mögliche Insolvenzanfechtung vor allem durch einen vollständigen Rückzug aus dem Geschäftsleben erreichen lässt. Da dies im Ernst natürlich keine Option ist, können die hier beispielhaft genannten Leitplanken Orientierung geben. Darüber hinaus dürfte in vielen Fällen ohnehin entscheidend sein, dass man ein mögliches Anfechtungsrisiko in der Liefer- und Leistungsbeziehung überhaupt erkennt und dann bewusst eingeht.“
Béla Knof

 

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